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LAUDATIO FÜR MAG. REMBERT SCHLEICHER
Prof. Dr. Adam Zieliński
Frau Botschafterin, Exzellenz!
Hochgeschätzte Damen und Herren!
Lieber Rembert Schleicher!
Verehrte Familie Schleicher!

Meiner heutigen Aufgabe, die Laudatio für Rembert Schleicher zu halten, komme ich aus der Position eines ehemaligen Flüchtlings nach. Ich sagte dem Kommunismus bereits im Jahre 1957 "Adieu"! In Goethes "Faust" heißt es über solche, wie ich damals einer war:

"Bin ich der Flüchtling nicht, der unbehauste?
Der Unmensch ohne Zweck und Ruh,
Der wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen brauste,
Begierig wütend, nach dem Abgrund zu?"


Rembert Schleicher ist kein Flüchtling in diesem Land, aber seine bestechende Intelligenz und seine Menschenliebe heben ihn hoch über den Durchschnitt eines österreichischen Intellektuellen. Er ist eine Ballung philosophischer Wissenschaften, humaner Ideen, ein Freund der menschlichen Gattung. Beobachtung und Forschung, Fantasie und Kunst, Wissenschaft und Gestaltung - das sind die Haupteigenschaften Remberts, die ihn zu einer überdurchschnittlichen in Österreich Persönlichkeit machen.

Ich darf hier über meine erste Begegnung mit ihm - und diese fand in Krakau statt - berichten, wo ich zusammen mit Helga und Erhard Busek und meiner Frau Sophie, per Flugzeug angereist war. In unserer Leichsinnigkeit entschieden wir uns damals nicht für die AUA, sondern flogen mit der polnischen Linie LOT. (Seit dieser Zeit hat sich die LOT dem europäischen Standard angeglichen, aber damals war das noch nicht so.) Wir landeten endlich in der alten polnischen Hauptstadt, die manche noch heute für die wichtigste Metropole Polens halten mit dreistündiger (!) Verspätung. Eben angekommen, erreichte uns via Handy ein Anruf vom Rembert Schleicher, damals der österreichische Vizekonsul für kulturelle Angelegenheiten am Österreichischen Generalkonsulat in Krakau: wir mögen ein Taxi nehmen und ins Restaurant kommen, wo bereits eine Runde auf uns warte. Dieses Restaurant, situiert im Zentrum des Krakauer jüdischen Viertels "Kazimierz", entpuppte sich als eine koschere Gaststätte Namens "Ariel", die heute "Alef" heißt. Als wir eintrafen, bot sich uns ein authentisches Renaissancebild. Die uns erwartende Gruppe erhob sich zu unserer Begrüßung mit gewaltigen, mit Wodka gefüllten Glaspokalen in den Händen und rief uns lebhaft und lautstark - offensichtlich hatte man während der Zeit des Wartens gar nicht wenig getrunken - zwei polnische Wort, die man zuvor wohl stundenlang geübt hatte: "Na zdrowie!". An den übrigen, von spärlichem Kerzenlicht beleuteten Tischen, saßen Touristen aus den USA, Juden polnischer Abstammung, wie sich später herausstellen sollte, und weinten und schluchzten, denn - und das ist die Pointe - Rembert Schleicher sang, beim einem Klavier stehend, auf welchem ihn der berühmte, aus "Schindlers Liste" von Steven Spielberg bekannte Klezmer Leopold Kozłowski begleitete, jiddische Lieder. Rembert rühmte gerade in einem Jiddisch, das jiddischer nicht mehr sein kann, das Schtetele Belz, gestikulierte dabei derart echt galizianisch mit den Händen und wiegte den Kopf hin und her, dass sich eine Stimmung aufbaute, die alle, auch mich selbst, erfasste, sodass ich Erhard Busek fragte: "Ist er ein österreichischer Diplomat in Krakau oder ein talmudistischer Jude?" Die Gäste aus USA fielen inzwischen in den Refrain des Liedes ein und rissen uns alle mit. Einer von ihnen, vielleicht war er der Rebbe, weil er ein schönes "Keppele" trug, rief: "Now you can see: not all polish people are anti-semitic!" Danach nahm er einen Brotkorb und organisierte spontan eine Kollekte, bestimmt als "Trinkgeld" für den vermeintlich polnisch-jüdischen Sänger, nämlich unseren Rembert. Der Korb füllte sich sehr bald mit Banknoten, was Rembert einigermaßen verwirrte und, wie mir schien, peinlich überraschte. Er war wollte gerade verkünden, dass er die jiddischen Lieder nur aus Hobby und Begeisterung singe, dass seine Funktion in Krakau eine ganz andere sei als die eines jüdisch-polnischen Sängers und dass er das gesammelte Geld nicht annehmen könne. Aber da besann er sich urplötzlich und erklärte feierlich und unprätentiös: "Dieses Geld soll für die Pflege der verlassenen, jüdischen Gräber in Krakau dienen." Dass dieser Geste von allen mit begeistertem Appauls zugestimmt wurde, versteht sich von selbst. "Le chaim!" und "Na zdrowie!" hörte man von allen Seiten rufen. Und mit diesen Worten wandte sich nun auch Rembert den Buseks und den Zielinskis zu. Dabei jiddelte er derart, dass ich bis heute nicht glauben kann, dass er nicht doch jüdischer Herkunft ist.

Heute weiß ich, dass Rembert Schleicher jede Angelegenheit, jede Rede sowie jede seiner Stellungnahmen, mit dem einzig richtigen Tonfall, mit bestechender Logik und mit treffender, aber stets freundlicher Ironie nicht nur im amtlichen Deutsch, sondern, wenn es darauf ankommt, auch auf Latein, halten kann. Er könnte ohne Mühe auf Schwedisch erschöpfend über Skandinavien berichten und genauso leicht einen perfekt spanisch sprechenden Guide am Jakobsweg abgeben. Er wäre auch in der Lage, in einem freilich etwas holprigen Bibelgriechisch über die Akropolis zu erzählen und... und... und...

Befragen Sie ihn nach Virgil oder nach Petrarca oder zur der "Göttlichen Komödie" von Dante - er kennt sich aus. Rembert weiß Bescheid über Literatur, Philosophie, Soziologie, Orthographie, Stilistik und Grammatik, er ist eine zuverlässige Informationsquelle über die Staatsordnung in Österreich, er ist auch vieles andere, und zudem könnte er jederzeit und überall in den Gesang "Góralu, czy ci nie żal" einstimmen - und dies so herzzerreisend, dass wir alle Tränen in unseren Augen bekämen.

In zwei Bereichen ist Rembert allerdings untalentiert. Der erste hat mit Rechnen zu tun: Bereits drei Tage nach Erhalt seines Monatslohns hat er diesen verwirtschaftet und kann sich nicht erklären, wohin das Geld so schnell geht. Der zweite Makel ist nicht geringer: wenn Sie mit Rembert Schleicher für einen Tag um 15 Uhr verabredet sind, kann es sein, dass er 48 Stunden später kommt und mit einer Unschuldmine fragt: "Hab`ich mich verspätet?"

Aber da gibt es etwas, weswegen wir ihm diese beiden letztlich unbedeutenden Makel nachsehen. Ich denke hier an seine stete Bereitschaft, wie wir sie bei kaum jemanden sonst an der Donau antreffen, wo und wie immer für Polen einzutreten. Er gehört zum österreichischen Stoßtrupp der Förderer des Polenlandes und seiner Kultur. Er zitiert Mickiewicz, Słowacki, Krasiński, Norwid, aber auch Czesław Miłosz und Wisława Szymborska, Ewa Lipska und Tadeusz Różewicz. Er weiß Bescheid über Rej, Fredro, Rittner, über die gesamte polnische Literatur, Kunst, Geschichte und Politik - und das mit erstaunlicher Genauigkeit.

Ich habe Südpolen mit ihm mehrmals bereist, von Przemyśl bis Wrocław und zurück - Rembert in seiner Eigenschaft als österreichischer Vizekonsul für Kulturangelegenheiten, ich als Vortragender bei diversen Autorenabenden - und ich habe dabei beobachtete, was für ein talentierter Organisator er ist. Stets an alles denkend, organisierte er überall wichtige Treffen, Pressekonferenzen, Begegnungen, Empfänge, imponierte unserer jeweiligen Umgebung mit seinen spontanen, auf die Freundschaft der Nationen abzielenden Reden, war er ein einfallsreicher Diplomat, ein bisschen ein Pole, ein bisschen ein Österreicher, aber vor allem ein Europäer.

Wer ist dieser Rembert Schleicher? Er wurde am 20. Februar 1953 in Schäffern am Wechsel als eines von 14 Geschwistern geboren. Sein Bildungsweg ist schier unglaublich: Musisch-pädagogisches Bundesrealgymnasium in Hartberg inklusive ein paar Monate High School von Highwycombe in England, einige Semester Studium der Humanmedizin an der Karl-Franzens-Universität in Graz und parallel dazu an der selben Universität Spanisch-Studium, Spanischkurse an der Universität Pamplona in Navarra sowie in Palencia (in Altkastilien), dann Studium der Fachtheologie zunächst an derOrdenshochschule St. Gabriel in Mödling, bei Wien, wofür er die Griechisch-Matura nachholen musste, und dann an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Alma Mater Rudolphina, das er mit dem Magisterium abschloss. Irgendwann in dieser Zeit hat er begonnen Polnisch zu lernen. Dass er während dessen nicht auch Chinesisch, Arabisch, Aztekisch, Jiddisch und Usbekisch gelernt hat, überrascht einen geradezu. Und es stimmt nicht einmal ganz, denn Rembert er hat tatsächlich nie aufgehört zu lernen und widmet sich letzthin unter Anleitung von Univ.-Prof. Jacob Allerhand dem Studium der jiddischen Sprache. Wie heißt es doch in Goethes "Faust"?

"Habe nun acht, Philosophie, / Juristerei und Medizin
Und leider auch Theologie, /durchaus studiert mit heißem Bemühen!
Da steh`ich nun, ein armer Tor / Und bin so klug als wie zuvor
Und sehe, dass wir nichts wissen können. /Das will mir schier das Herz verbrennen!"

Wir alle, die mit Rembert Schleicher Kontakt pflegen, sind ihm vor allem für seine Liebe zu Polen dankbar. (Ich sagte: Liebe zu Polen, und nicht: Liebe zu den Polinnen; obwohl auch hier eine Richtigstellung zu treffen ist, denn es ist natürlich eine Polin, Elżbieta, die für seine Zuwendung zu Polen bestimmend war und die dafür sorgt, dass sein Haus eine polnische Festung ist.) Rembert Schleicher stellt eine glückliche Mischung eines fortschrittlichen, österreichischen Intellektuellen dar, der geprägt ist von christlicher Tiefgläubigkeit und begeistert ist von Polen und noch mehr von Europa. Man soll nicht vergessen, dass es in den 80er-Jahren doch einigen Mutes bedurfte, unzählige Reisen nach Polen zu unternehmen und den dortigen Kirchenleuten und Intellektuellen Kopier- und Fax-Geräten, Papier, Farbe aber auch journalistischem Stoff zu liefern. Für eine derart konspirative Tätigkeit drohten einem nicht unbeträchtliche Strafen der kommunistischen Machthaber. Die "Solidarność" fand in Rembert einen treuen, mutigen und ergebenen Anhänger, der verstanden hatte, dass man dieser für die Freiheit arbeitenden Organisation nicht nur mit Worten, sondern vor allem auch mit Taten beistehen musste. Als ich Rembert einmal fragte, was er als das wichtigste Lied seines Lebens erachte, meinte er ohne zu zögern: "Alle Menschen werden Brüder!"
Wir sind Dir, Rembert Schleicher, ganz besonders dafür zum Dank verbunden, dass Du in Deiner verantwortungsvollen Position an der Wiener Universität immer für die Anliegen der polnischen Studierenden da bist. Du unterstützt sie und gewährst ihnen, wo es Dir nur möglich erscheint, Deine Hilfe. Weiter so! Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass man in diesem Lande nur selten einen Menschen finden kann, der derart aufopfernd, bedingungslos und spontan für die Entwicklung der österreichisch-polnischen Beziehungen eintritt.

Als unter Rembert Schleichers Herausgeberschaft unter dem Titel "Der letzte Galizianer. Adam Zieliński auf der Spur" eine Festschrift erschien, geruhte Eminenz Kardinal Franz König dazu ein Vorwort zu schreiben. Ich wurde danach bei der Eminenz vorstellig, um mich für diese große Auszeichnung zu bedanken und da hörte ich von Eminenz einen Satz, der Rembert Schleicher am besten charakterisiert: "Mein Vorwort ist eigentlich überflüssig, denn Rembert Schleicher hat bereits dafür gesorgt, dass alles umfassend dargestellt wurde und seine Richtigkeit hat."

Rembert, Polen weiß Deinen Einsatz für die polnische Sache, für die "Solidarność", für Freiheit an der Weichsel und an der Donau, aber auch überall in Europa, mit dem Kavalierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen zu würdigen. Wir hoffen sehr, diese Ehre, die Dir heute zuteil wird, Deine enthusiastische Einstellung zu Polen stärken und noch intensivieren wird. Wir gratulieren Dir sehr herzlich, dass du ab nun ordens- und damit ordnungsgemäß ein echter "Kavalier" bist. Ich persönlich werde dich ab heute nur noch mit "Chevalier" ansprechen.
Im diesen Sinne: Glück auf, Chevalier Rembert Schleicher!

Foto: Austriapol
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