Man
muss sie nicht übersetzen, denn sie ist wohl die am leichtesten verständliche
Sprache für Menschen, die anderen damit sogar die Herzen zu öffnen vermögen. Sie
vermittelt Bereitschaft zum Miterleben wollen und Freude, die man weitergeben
kann. Vielen von uns war sie schon die beste Medizin, die ein Arzt nicht verschreiben
kann. Und so verschreibt Dr. Theodor KANITZER als Nichtarzt, aber als Präsident
der Chopin-Gesellschaften, seit siebzehn Jahren diese wirkungsvolle Medizin mit
wachsendem Erfolg. Sie wird nicht in mondänen Großstädten und Flaniermeilen zelebriert,
wo die glanzvollen Lichter zur Zeit nicht immer von Bühnen oder Konzertpodien
kommen, sondern meist nur vom Hals der Anwesenden glitzern. Ganz im Gegenteil
ist eine kleine Stadtgemeinde Niederösterreichs, Gaming, der Ort des Zusammenfindens
in traumhaft schöner Natur und bewundernswert restaurierter Kartause durch DI
Architekt Dr.h.c. Walter HILDEBRAND. Aus aller Welt kommen Musiker und Musikfreunde,
um diese miteinander verbindende Sprache zu reden und damit wieder gemeinsam Freude
empfinden zu können. Meist haben junge Menschen die Möglichkeit, ihr erarbeitetes
Können und schon gewachsenes Einfühlungsvermögen in die Lebenssprache eines Komponisten
erwartungsvoll am Klavier, den Streichinstrumenten oder mit eigener Stimme allen
anderen mitteilen zu dürfen. So auch am 16. August mit einem völlig neuen
Konzert in "open air" am Lunzer See. Der Blick auf das Gewässer, die
umrahmenden Berge und Felsen, die vorbeifahrenden Boote und den bereits aufgestellten
Knaben- und Herrenchor der Posener Philharmonie, die "POSENER NACHTIGALLEN",
das ist schon ein besonderes Bild. Die "air" war bei diesem ersten Mal
aber zu "open", denn die Musik konnte sich ohne Resonanzkörper nicht
nach vorn bewegen, sondern zerflatterte in alle Richtungen dieser schönen Gegend,
wie der Chor in einem späteren Konzert (am 19. August) grandios mit dem Gegenteil
zeigen konnte. Da bewies er die Kraft und Schönheit seiner Stimmen, den der Chorleiter
Prof. Stefan STULIGROSZ seit 1939 leitet. Die Pfarrkirche Gaming mit ihrer Mozart-Orgel
war der Konzertsaal, in dem Polens bester Chor sein Können hören ließ. Marek KUDLICKI
spielte als Einleitung die Toccata Septima von Muffat auf dieser Orgel, und Miros³aw
GA£ÊSKI begleitete darauf den Posener Chor. Das "Alleluja. Ave Maria"
von Sebastian z Felsztyna verzauberte mit seiner aus einer anderen Welt kommenden
Schönheit. Machtvolle Klänge von Zieliñski, Händel, Gretchaninov, aber auch sehr
emotionale Werke von Schubert, Mozart, Franck und Ró¿ycki boten Anlass zu großer
Bewunderung. - Beim "open air" am See war auch das "Epoque Quartett"
zu hören. Vier junge Musiker aus Prag, Martin VALEK und Vladimir KLANSKY (Violinen),
Vladimir KROUPA (Viola) und Vit PETRACEK (Cello) gaben sich größte Mühe, Mendelssohns
4.Satz aus dem e-Moll Streichquartett beisammen zu halten, aber die "air"
war stärker. Diese jungen Künstler spielen neben klassischer Musik auch moderne
Werke, und wie gut sie dies tun! Bei Chic Corea und anderen sind sie so überragend,
dass bei ihrer Musizierfreude selbst Dissonanzen "charmant" klingen;
das sollte doch epoque-machend werden! Ein großer Abend bahnte sich am 17.
August in der Kartausen-Kirche an, und die Rekordverdächtigkeit dürfte sich herumgesprochen
haben, denn der Strom der Musikfreunde nahm kein Ende, es mussten Sessel im Mittelgang
aufgestellt werden. Vor der Weltsprache Musik gab es Auszeichnungen für die beiden
Sponsoren Paul und Paulette KARDOS aus Michigan, die große Spenden für die Restaurierungen
der mittelalterlichen Kartause ermöglichten. Zwei Buch-Autoren (F.A. Karlitzky
und D. Fuss) wurde für ihre Veröffentlichungen über die Kartause gedankt. - Die
mit weltweit vielen Preisen bedachte Pianistin Mika SATO aus Japan spielte Frederic
Chopins 1.Klavierkonzert in e-Moll. Das NIEDERÖSTERREICHISCHE TONKÜNSTLERORCHESTER
unter der schon so oft bewährten Leitung von Tadeusz STRUGA£A bürgte nicht für
Begleitung der Pianistin, sondern für eindrucksvolle Mitgestaltung. Sie trugen
die junge Künstlerin am Klavier durch alle Höhen und Tiefen Chopinscher Musik,
zarteste Klänge, Hymnen und Leidenschaften, es war ein richtiges Mitatmen, das
den Musikfreunden wiederum vor Ergriffenheit den Atem nahm. Die zarte Pianistin
wurde stürmisch gefeiert und dankte mit einer Zugabe. - Die Symphonie Nr.8 von
Dvorak folgte. Diese herrliche Musik lässt in ihrer Naturhaftigkeit, in ihren
oft schwebenden Bildern, aber auch tänzerischen Szenen eigene Erinnerungen aus
der Jugend auferstehen und gibt ihnen ein erneutes Miterleben. Mit zauberhaftem
Schluss, auch im singenden Cello, darf gesagt werden, dass sich Tonkünstler und
Dirigent übertroffen haben ! Im festlichen Prälatensaal fand am 18. August
mittags das Kammermusik-Dinerkonzert statt. Zwischen den einzelnen Speisen eines
opulenten Menus spielte das "EPOQUE- QUARTETT", mit dem extra angereisten
Prof. Ivan KLANSKY am Klavier, hervorragend Werke von Chopin, Dvorak und Smetana,
und auch in diesem Kreis ergaben sich Gesprächsthemen mit Musikfreunden aus aller
Welt. "Nocturno" ist der Name für ein nächtliches Chopin-Konzert
bei Kerzenlicht in der Barockbibliothek der Kartause. Dieser Abend ist stets mit
einem von der sehr angesehenen Schauspielerin Liliana NIESIELSKA gelesenen Text
verbunden. Diesmal erhielt ich die Aufgabe, über "Chopins Zeit in Böhmen"
zu berichten und konnte seine jugendliche Freude am Reisen und Kennenlernen anderer
Länder und Menschen, aber auch die nur vermutete "Beteiligung" an den
Vorbereitungen zum Polnischen Aufstand, deren Beweis sicher offen bleiben muss,
erwähnen. Eine große Liebe gehört auch in diese Zeit, die sich aber nicht erfüllte
und sein "großer Kummer" war, wie er auf den Briefen der Geliebten vermerkte.
Frau Niesielska ließ diesen Text durch ihre bewegende Sprache sehr lebendig werden.
Und Musik, die andere Sprache, machte diesen Abend noch kurzweiliger. Das "EPOQUE-QUARTETT"
spielte den 1.Satz aus Smetanas Streichquartett "Aus meinem Leben" mit
wunderbar gesanglichem Ton. Justine VERDIER aus Paris verstand es, mit ihren
sechzehn Jahren, Chopins f-Moll Fantaisie in sanfter Romantik, aber auch gebändigter
Dramatik zu gestalten und mit viel Beifall bedankt zu werden. Die Wienerin Gerda
STRUHAL brillierte beim Scherzo Nr.4 op. 54 nicht nur mit ihrer immensen Technik,
sondern ließ auch Emotionen feinsinnig hören. Für die Barcarolle fis-Dur op. 60
sollte bei Yuko ARAI aus Tokio mehr Gefühl im Klavierspiel zu hören sein. Aus
Warschau kam Krystian TKACZEWSKI und zeigte mit der Ballade Nr.1 g-Moll schon
sehr viel Einfühlung für Dramatik und Technik bei Akkordsprüngen, weniger Pedal
würde vieles klarer machen. Matthias SOUCEK, Österreicher, bot mit der Ballade
Nr. 4 f-Moll eine glanzvolle Leistung, spielte sie stellenweise wie ein Orchesterwerk,
und mit Fermaten konnte Chopins Musik unter seinen Händen atmen. Nach einem für
sie anstrengenden Tag klang diesmal die von Mika SATO gespielte Polonaise Nr.6
as-Dur nicht so brilliant wie das e-Moll Konzert. 19. August Kartausenkirche,
2. Orchesterkonzert: Matthias SOUCEK am Klavier und das PRAGER JUGENDSYMPHONIEORCHESTER
"Na Popelce" unter seinem Dirigenten Ladislav CIGLER ließen Mozarts
Klavierkonzert Nr. 20 d-Moll KV 466 erklingen. Die führende Kraft in klassischer
Klarheit war der Pianist in allen drei Sätzen, begleitet von den Wogen des Orchesters,
die wiederum den Kirchenhall mobilisierten und das harmonische Gleichgewicht erschwerten.
Als klingender Rahmen um das Mozart-Konzert waren noch zu hören: 1.Satz aus Mozarts
"Linzer Symphonie", 1. Satz aus der Symphonie d-Dur von Vorisek, die
"Hebriden" - Ouverture von Mendelssohn, aus der Suite "Sigurd Jorsalfar"
von Grieg "The Kings Hall" und das Vorspiel zur volkstümlichen Smetana
- Oper "Hubicka". Die Spielfreude der jungen Orchestermusiker wurde
mit Recht herzlich bedankt, Matthias Soucek mehrmals mit sehr großem Applaus auf
das Podium gebeten. Als abschließender Höhepunkt darf gesagt werden, dass
das völkerverbindende Festival des Genies Chopin in Gaming von sehr ehrenwerten
Gästen nicht nur regelmäßig besucht, sondern auch in ebenso berührenden Worten
und Ansichten hochgelobt wird: S.E. Polens Außenminister Prof. Dr. W³adys³aw BARTOSZEWSKI,
I.E. Univ.Prof. Dr. Irena LIPOWICZ, Polens Botschafterin in Österreich, S.E. Akio
IJUIN, Botschafter Japans in unserem Land, Landesrat SOBOTKA, die Bürgermeister
von Gaming und Scheibbs, Kurt PÖCHHACKER und Ing. Leopold GANSCH. Mit der Vorfreude,
die Goldhauben-Trachtengruppe Lackenhof und die Musikkapelle Gaming unter Rainer
ORTNER auch im nächsten Jahr wiederzusehen- und zu hören, mögen die Vorarbeiten
des Festival-Leiters Dr. Theodor KANITZER für 2002 so erfolgreich sein, dass die
"Sprache der Welt" von vielen Künstlern und Gästen der Welt erneut "gesprochen"
werden kann. |