An den Tisch setzen wir uns bei Einbruch der Dunkelheit, wenn der erste Stern am Himmel sichtbar wird, nach dem Kinder ungeduldig Ausschau halten. Für unsere Kleinsten ist das einer der schönsten Abende im ganzen Jahr. Plötzlich, im faszinierenden Glanz vielfarbiger Lichter auf dem Weihnachtsbaum, wird die märchenhafte Stimmung wahr und unter dem Baum finden sich Geschenke, die liebende Hände dorthin gelegt haben. An diesem Abend gewinnt auch das bescheidenste Geschenk einen besonderen Wert, es wird zum Ausdruck von Liebe und Freundschaft, die Menschen verbindet. Der schönste altpolnische Brauch - möge er lange erhalten bleiben - war es, einen einsamen Menschen zum Mahl am Heiligen Abend einzuladen. In dieser Nacht sollte nämlich niemand einsam und verlassen sein. Wenn man sich zu Tisch setzte, wurde niemals auf die Abwesenden vergessen. Für sie wurde ein Platz frei gelassen und der Tisch ebenfalls gedeckt. Auf den Teller legte man von jeder Speise ein wenig, auch ein Stück von der Hostie. Vor dem Essen teilt man miteinander eine Oblatenhostie und spricht seine Wünsche dazu. Das ist der ergreifendste Augenblick, wie kein anderer im ganzen Jahr. Viele Erinnerungen steigen auf, aus der Kindheit und Jugend, gepaart mit Wehmut und Gedanken an diejenigen, die für immer gegangen sind, aber auch mit heller Freude und der im Herzen brennenden Hoffnung auf Glück. In diesem erhabenen Augenblick vergeben wir einander alles Böse. Nach dem Abendmahl singen wir Weihnachtslieder. Viele polnische Weihnachtlieder sind sehr alt, sie gehören zu den wertvollsten Denkmälern der volkstümlichen und sakralen Lieder. Für viele Polen, die fern der Heimat leben, waren und sind die Weihnachtslieder stets ein Symbol des Polentums. Frédéric Chopin, selbst ein Emigrant, drückte seine große Sehnsucht nach Polen aus, als er in sein Scherzo h-Moll das zarte Weihnachtslied "Lulajże Jezuniu..", ein Wiegenlied für das Jesuskind, einwob. In der Heiligen Nacht gehen viele in die Weihnachtsmette - ein feierliches Hochamt, das in Erinnerung daran zelebriert wird, dass den Hirten die Engel erschienen sind und im Lichte des Sternes von Bethlehem die frohe Kunde von der Geburt des Jesuskindes überbrachten. Wohin auch immer uns das Schicksal verschlagen hat, in dieser Nacht werden wir zusammen sein ....